Neu auf Hippoevent - Sinn und Unsinn von Fahrlektionen... Reiner Wannenwetsch analysiert Dressur Lektionen
Thema 1 | Achenbach und die einhändige Volte
Stimmt: Über Volten wurde bei Achenbach nicht gesprochen. Warum sollte man auch im Kreis fahren? Wichtig in der Zeit Achenbachs waren die Wendungen. Das Abbiegen in eine andere Straße, nach links oder nach rechts. Und auch eine Kehrtwendung war wichtig. Und das musste im Interesse der Pferde auch dringend reformiert werden, denn das Herumreißen war nicht wirklich schön anzusehen. Pferde stürzten dabei, traten sich gegenseitig die Eisen ab, kamen über die Stränge und derlei Dinge mehr.
Wenn wir uns heute die Beschreibung der Wendungen in den Schriften der alten Meister anschauen, lesen wir oft mit Erstaunen, dass Richtungsänderungen durch eine nachgebende äußere Hand gefahren werden. Wesentlich seltener wird beschrieben, dass sie durch Nachgeben auf der Außenleine eingeleitet werden. Der Unterschied ist wesentlich, wissen wir doch aus der Reitlehre, dass der äußere Zügel führt.
Aber was hat das alles mit einhändig gefahrenen Volten und Schlangenlinien zu tun?
Und brauchen wir das denn heute wirklich noch, ist das nicht alles Schnee von gestern?
Ich muss zugeben, dass auch ich vor mehr als zehn Jahren nicht die Hand gehoben habe, als in Fahrsportkreisen darüber gesprochen wurde, die einhändigen Lektionen zu reduzieren oder ganz abzuschaffen. Wir haben uns alle zu wenig Gedanken darüber gemacht, warum in den zum Teil recht alten Aufgaben einhändig gefahren werden musste.
Warum auch – das kann doch heute jeder Anfänger! Wieder ein Denkfehler! Warum? Weil wir wieder einmal die Achenbach’schen Grundsätze außer Acht gelassen und nicht an die Pferde gedacht haben!
Heute wissen wir etwas mehr drüber - sehen wir doch deutlich die Ergebnisse unserer einfachen Denkweise. Nehmen wir beispielsweise die Volte im versammelten Trab.
Mit zwei Händen gefahren dürfte das überhaupt kein Problem sein. Aber der Teufel steckt im Detail, denn man hat ja buchstäblich „mehr in der Hand“.
Dadurch hat man angeblich die Möglichkeit, die Volte genauer zu fahren – das Ergebnis ist eine laufende Korrektur, das Ding ist auf einmal nicht mehr rund! Darüber hinaus ändern sich fortwährend Stellung und Biegung, was sich letztendlich auch auf die Anlehnung auswirkt.
Wenn man dann auch noch – weil man ja zwei Hände und wesentlich mehr Kraft hat- die Versammlung verbessern will, in dem man vorne kräftig dagegen hält und hinten mit der Peitsche den vermeintlich notwendigen Druck aufbaut, sehen wir genau das, was wir eigentlich nicht sehen wollen: Das Ziehen an den Innenleinen fördert Anlehnungsprobleme, nach innen gezogene Hälse statt korrekter Stellung und Biegung, eine nicht spurende Hinterhand, einen falschen Knick, taktunreines Gestrampel und einen weggedrückten Rücken an Stelle von erhabenen Tritten.
Und um dem Allem aus dem Weg zu gehen, wird dann von den wirklichen Könnern einfach das Tempo erhöht. Dadurch werden nicht nur die Taktfehler reduziert, sondern auch die Zeit für die Volte verkürzt, damit zumindest die nur auf ihre Beobachtung angewiesenen Richter nicht mehr so viel Zeit zur Fehlersuche haben.
Das ist gut, denn viele sind nur auf ihre Augen angewiesen und fühlen weder in den Fingern (weil sie ja wenig oder überhaupt keine Erfahrung im Fahren haben) noch mit dem A… (weil oft ja auch eine korrekte Reitausbildung fehlt), was da auf dem Viereck bei den Pferden wirklich passiert! Perfect English language hilft da auch nicht immer – wenn auch leider immer öfter.
Und was kommt danach? Im Fitness Studio Muskelaufbau in den Armen, aus der unerschöpflichen Trickkiste doch noch ein neues Gebiss oder einfach ein Wechsel bei den Pferden? Gute Ratschläge sind zwar teuer, werden aber doch immer wieder gerne angenommen!
Aber zurück zum eigentlichen Thema. Einhändig zu fahrende Lektionen, ganz gleich ob Volten, Kehren, Schlangenlinien, Leinen aus der Hand kauen lassen oder was auch immer, sind keine Schikane der Erfinder. Sie zeigen mehr als deutlich die Qualität der Ausbildung und ja, sie zeigen auch die Kommunikation zwischen Fahrer und Pferden. Und dem sachkundigen Auge des Betrachters bleibt auch nicht verborgen, dass eine einhändig gefahrene Lektion entweder maximal genügt oder im positiven Fall sehr oft mit gut bewertet werden kann.
Ein ganz bedeutender internationaler Konzern hat vor einigen Jahren einen Werbeslogan präsentiert: Wir haben verstanden! Es hat – zumindest eine Zeit lang – funktioniert. Nicht jede große Institution kann das von sich behaupten. Da muss sich in den Headquarters schon noch Einiges bewegen. Für meine Person nehme ich das in Anspruch: Ich habe zwar längst nicht alles verstanden, aber zumindest die Basics. In diesem Sinne: Achenbach hat sehr wohl etwas mit der einhändigen Volte zu tun! Und vergesst mir den alten Isenbarth nicht!
Reiner Wannenwetsch